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Schutzwirkung der Musterwiderrufsbelehrung auch bei dessen rechtlicher Fehlerhaftigkeit

Das Landgericht Berlin hat sich am 18.06.2014 in einer beachtungswürdigen Entscheidung, Az.: 10 O 287/13, mit der Schutzwirkung der Musterwiderrufsbelehrung nach § 14 Abs. 1 BGB-InfoV (alte Fassung) auseinandergesetzt.

Denn § 14 Abs. 1 BGB-InfoV besagt, dass eine Belehrung über das Widerrufsrecht den Anforderungen des § 355 Abs. 2 genügt, wenn die gesetzlich vorgeschlagene Musterwiderrufsbelehrung ohne Abweichung und in Textform verwendet wird. Diese Entscheidung ist deshalb von besonderer Wichtigkeit für das Widerrufsrecht, weil die von dem Gesetzgeber vorgeschlagene Widerrufsbelehrung selbst rechtlich fehlerhaft war.

Es stellt sich also die Frage: Besteht durch diese fehlerhafte Widerrufsbelehrung für den Verbraucher weiterhin ein Widerrufsrecht oder genügt auch diese rechtlich fehlerhafte Musterbelehrung den gesetzlichen Anforderungen einer ordentlichen Widerrufsbelehrung (so ja der Wortlaut des § 14 Abs. 1 BGB-Info).

Dazu wie folgt:
In dem Urteil des LG Berlin hatte der Kläger mit seiner Bank am 13./20.11.2006 einen Darlehensvertrag über einen Nettokreditbetrag von 87.100,00 EUR zur Finanzierung des Erwerbs einer Eigentumswohnung geschlossen. In dem Vertrag wurde dabei die fehlerhafte Musterbelehrung gem. § 14 Abs. 1 BGB-Info ohne Änderung verwendet.

Mit Schreiben vom 04.06.2013 – also weit nach Ablauf der gesetzlich geltenden Widerrufsfrist von 14 Tagen – erklärte der Kläger den Widerruf seiner zu dem Darlehensvertrag abgegebenen Erklärungen und forderte die Bank zur Rückzahlung der bis dahin von ihm erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen auf. Er nahm an, dass ihm aufgrund der rechtlich fehlerhaften Musterbelehrung auch noch nach dem Ablauf von 14 Tagen ein Widerrufsrecht zustand, da ein solches bei fehlerhafter Widerrufsbelehrung nicht zu laufen beginnt.

So hatte der BGH bereits am 02.02.2011 in seinem Urteil mit Az.: VIII ZR 103/10 darauf hingewiesen, dass die in der Musterbelehrung gewählte Formulierung, die Widerrufsfrist beginne „frühestens mit Erhalt dieser Belehrung” den Verbraucher nicht richtig über den nach § 355 Abs. 2 a. F. BGB maßgeblichen Beginn der Widerrufsfrist belehre, weil sie nicht umfassend und zudem irreführend ist.

„Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Beklagte sich auf den durch § 14 Abs. 1 1 BGB-Info a. F. gewährten Vertrauensschutz berufen kann, wenn sie das Muster in Anlage 2 zu § 14 1 BGB-Info a. F. verwendet […]“ – zit. der Rn. 27 des Urteils.

Durch die Zurverfügungstellung einer Musterbelehrung sollte dem Verbraucher eine ordnungsgemäße Information über sein Widerrufsrecht zukommen, um durch diese Rechtssicherheit die Rechtspflege zu entlasten. Dieser verfolgte Zweck und insbesondere auch die Vereinfachung der Geschäftspraxis der Unternehmer, würden jedoch verfehlt, wenn sich der Unternehmer trotz Verwendung der Musterbelehrung nicht auf die gesetzliche Schutzwirkung der von ihm verwendeten Belehrung berufen könnte.

Kurz: „Der Verwender einer Widerrufsbelehrung kann sich also auf die Gesetzlichkeitsfiktion nach § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a. F. berufen, wenn er das Muster nach Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV a. F. ohne Abweichungen verwendet […]“ (so auch der Leitsatz des Urteils).

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Im Fall eines Widerrufs sind gem. § 355 Abs. 3 BGB übrigens die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren. Der Kläger hätte im vorliegenden Fall der Bank also in einem Zug das komplette Darlehen zurückzahlen müssen. Diesem Anspruch wollte der Kläger einen Schadensersatzanspruch wegen der fehlerhaften Widerrufsbelehrung entgegenhalten.

Grundsätzlich kann sich ein solcher Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs.2, 311 Abs.2 BGB ergeben, allerdings nur dann, wenn dem Schuldner (also hier der Bank) ein Verschulden trifft und dies für den Schaden des Klägers kausal ist. Da sich die Bank hier aber an dem vorgesehen Muster bediente, unterliegt sie einem verschuldensausschließenden Rechtsirrtum. Dann besteht für den Kläger auch kein Schadensersatzanspruch, der der Rückzahlung des Darlehens entgegengehalten werden könnte.

RA Mass, LL.M. und stud. iur. Specht

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