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Insolvenzverfahren: Corona-Sonderzulage an niedersächsische Beamte ist grundsätzlich pfändbar

| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Die nach dem Niedersächsischen Besoldungsgesetz (NBesG) an alle Besoldungsempfänger zu zahlende Corona-Sonderzahlung stellt keine unpfändbare Erschwerniszulage dar. |

Lehrer in Insolvenz

Der Schuldner ist beamteter Lehrer des Landes Niedersachsen. Er stellte einen Insolvenzantrag und beantragte, ihm Restschuldbefreiung zu erteilen. Zugleich trat er seine pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus seinem Dienstverhältnis für die Dauer von sechs Jahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an einen vom Gericht zu bestimmenden Treuhänder ab. Das Insolvenzgericht hob das Insolvenzverfahren rund ein Jahr später auf und bestimmte einen Treuhänder.

Das Land Niedersachsen gewährte dem Schuldner knapp drei Jahre später eine Corona-Sonderzahlung in Höhe von 1.300 Euro. Der Schuldner beantragte beim Insolvenzgericht, dass ihm die Corona-Sonderzahlung als Erschwerniszulage vollständig pfändungsfrei belassen wird und nicht den Pfändungsvorschriften für Arbeitseinkommen unterfällt.

So sahen es die Vorinstanzen

Das Insolvenzgericht hat den Antrag abgelehnt. Das Beschwerdegericht hat in der nächsten Instanz die Unpfändbarkeit der Sonderzahlung bejaht und gemeint, der Landesgesetzgeber habe mit der hier einschlägigen Vorschrift im NBesG, nach deren Wortlaut die Sonderzahlung zur Abmilderung der zusätzlichen Belastung durch die COVID-19-Pandemie gewährt werde, hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass diese dem Ausgleich besonderer pandemiebedingter Belastungen der Beamten diene. Damit habe der Gesetzgeber zugleich deren Charakter als Erschwerniszulage gesetzlich festgeschrieben.

So sah es der Bundesgerichtshof

Der BGH hat die Entscheidung des Beschwerdegerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an dieses zurückverwiesen.

Welche Anforderungen an eine Erschwerniszulage zu stellen sind, richtet sich allein nach dem Verständnis des Bundesgesetzgebers. Die Länder haben – abweichend vom rechtsfehlerhaften Ansatz des Beschwerdegerichts – keine Kompetenz, die Behandlung einer von ihnen gewährten Sonderzahlung als Erschwerniszulage gesetzlich vorzuschreiben und hierbei vom Gesetz abweichende Voraussetzungen festzulegen.

Hier lag eine abstrakt-generelle Regelung vor

Die Corona-Sonderzahlung nach § 63a NBesG erfüllt nicht die Voraussetzungen einer Erschwerniszulage. Pfändungsschutz wird danach gewährt, weil beim Schuldner eine besondere Belastung bei oder durch die Erbringung der Arbeitsleistung gegeben ist. Dies setzt voraus, dass die tatsächlichen Verhältnisse, die die Zulage veranlassen, konkret bezeichnet sind.

Wird der Kreis der anspruchsberechtigten Personen durch eine abstrakt-generelle Regelung festgelegt, muss diese Regelung den Kreis der anspruchsberechtigten Personen in hinreichend bestimmter Weise von dem Kreis derer abgrenzen, bei denen die tatsächlichen Verhältnisse, die die Leistung veranlasst haben, zu keiner Erschwernis der Arbeitsleistung führen. Sieht die abstrakt-generelle Regelung – wie hier – für alle Beschäftigten eine Zahlung des Dienstherrn vor, liegt darin nur dann eine Erschwerniszulage, wenn die tatsächlichen Verhältnisse bei allen Beschäftigten zu einer besonderen Belastung der Arbeitstätigkeit führen.

Sonderzahlung erfolgte nicht aufgrund individueller besonderer Belastung

Diese Anforderungen erfüllt § 63a NBesG nicht. Der Landesgesetzgeber hat davon abgesehen, den Anspruch auf die Corona-Sonderzahlung von einer besonderen Belastung der Arbeitstätigkeit durch die Corona-Pandemie abhängig zu machen.

Die beiden Voraussetzungen des Anspruchs (Bestehen eines Dienstverhältnisses am 29.11.2021 und Anspruch auf Dienstbezüge an mindestens einem Tag zwischen dem 1.1.2021 und dem 29.11.2021) sind unabhängig davon, ob der Empfänger besonderen Belastungen bei der Verrichtung des Dienstes ausgesetzt ist, wie etwa einem besonders intensiven Kontakt zu anderen Menschen und damit einem besonderen Infektionsrisiko. Die allgemeinen und gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen der Pandemie haben keinen Bezug zum Dienst und seiner Verrichtung, der eine Behandlung als unpfändbare Erschwerniszulage rechtfertigt.

Quelle | BGH, Beschluss vom 13.7.2023, IX ZB 24/22, PM 141/2023

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