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Die Krankheit des Arbeitnehmers – Überprüfungsmöglichkeiten für den Arbeitgeber

Einleitung
Immer wieder kommt es (leider) vor, dass ein Arbeitnehmer (häufig) arbeitsunfähig erkrankt und bei dem Arbeitgeber Zweifel an der Krankheit aufkommen. Dieser Beitrag soll Handlungsmöglichkeiten auf Seiten des Arbeitgebers darstellen, wie er überprüfen kann, ob der Arbeitnehmer tatsächlich arbeitsunfähig erkrankt ist.

1.   Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
Die Anzeige- und Nachweispflicht einer Erkrankung durch den Arbeitnehmer ist nicht nur (meist) durch Arbeitsvertrag geregelt, sondern ergibt sich auch aus dem Gesetz. Gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) ist der Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich anzuzeigen (Anzeigepflicht). Der Inhalt der Mitteilung ist dabei nicht gesetzlich vorgeschrieben. Grundsätzlich reicht hier auch eine fernmündliche Mitteilung aus, da der Gesetzgeber von dem Arbeitnehmer nicht verlangt, bei jeder Krankheit unverzüglich einen Arzt aufzusuchen. Meldet sich der Arbeitnehmer mithin vor dem Arztbesuch bei seinem Arbeitgeber krank, so braucht (und kann) er nur mitteilen, dass er sich objektiv arbeitsunfähig fühle. Zur Dauer kann der Arbeitnehmer sich in diesem Fall nur äußern, wenn ihm ein bekanntes Krankheitsbild vorliegt und er Erfahrungen darüber gesammelt hat, wie lange der Genesungsprozess bei der prognostizierten Krankheit andauern wird (vgl. Reinhard in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 14. Aufl. 2014, § 5 EFZG, Rn. 5). Teilt der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber nach seinem Arztbesuch mit, dass er krank ist, so muss der Arbeitnehmer seine Angaben so präzisieren, wie es ihm der Arzt mitgeteilt hat (Reinhard, a. a. O.).

Von der vorgenannten Anzeigepflicht ist die Nachweispflicht zu unterscheiden. Grundsätzlich gilt gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 EFZG, dass der Arbeitnehmer verpflichtet ist, dem Arbeitgeber eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtlicher Dauer spätestens an dem darauf folgenden Arbeitstag vorzulegen, wenn die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Tage andauert. In einem solchen Fall muss der Arbeitnehmer sich mithin ärztlich behandeln lassen, damit er im Falle der Arbeitsunfähigkeit die vom Arzt zu erstellende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dem Arbeitgeber vorlegen kann.

Zu beachten ist jedoch § 5 Abs. 3 EFZG. Hiernach ist der Arbeitgeber berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen. Auch in einem Unternehmen, in dem ein Betriebs- oder Personalrat bestellt ist, kann der Arbeitgeber einseitig und ohne Beteiligung des Betriebs- oder Personalrates den einzelnen Arbeitnehmer hierzu auffordern. Trifft der Arbeitgeber allerdings generelle Anordnungen über die frühere Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, so hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach   § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (BAG, Beschluss v. 25.01.2000 – 1 ABR 3/99, NZA 2000, 665), worauf jedoch nicht näher eingegangen wird.

Diese Regelung kann für den Arbeitgeber ein sehr wirksames Mittel sein, um einer häufigen Kurzerkrankung von Arbeitnehmern entgegenzuwirken. Ein solches Verlangen kann dabei auch den ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit erfassen (BAG, Urteil vom 14.11.2012 – 5 AZR 886/11, NZA 2013, 322).

Sofern die technischen Möglichkeiten vorliegen, muss das Attest sodann auch noch am ersten Tag an den Arbeitgeber übergeben werden, wenn dies vom Arbeitgeber verlangt wird. Die Übergabe muss jedoch möglich und für den Arbeitnehmer zumutbar sein.

Der Arbeitgeber kann von diesem Recht grundsätzlich Gebrauch machen; es ist nicht notwendig, dass der Arbeitgeber (begründete) Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit hat.

2.   Überprüfung des Gesundheitszustandes durch den medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK)
Bei begründeten Zweifeln stehen dem Arbeitgeber zudem seine Rechte aus § 275 Abs. 1 Nr. 3 lit. b i. V. m. Abs. 1 a SGB i. v. m. Abs. 1 a SGB V zu.

§ 275 SGB V regelt, unter welchen Voraussetzungen die vom Arzt festgestellte Arbeitsunfähigkeit durch den MDK zu überprüfen ist. Die Krankenkasse ist u. a. zur Überprüfung verpflichtet, wenn sie Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit hat. Aufgrund des Umstandes, dass gemäß dem Entgeltfortzahlungsgesetz zunächst der Arbeitgeber die ersten sechs Wochen der Arbeitsunfähigkeit den Lohn weiter zu zahlen hat, sehen die Krankenkassen häufig keinen Anlass dafür, innerhalb der ersten sechs Wochen entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Aus diesem Grunde hat der Gesetzgeber den Arbeitgeber insofern berücksichtigt, dass ihm ähnliche Rechte zustehen.

Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers, die eine gutachterliche Stellungnahme des MDK nach sich ziehen sollten, sind nach § 275 Abs. 1a S. 1 SGB V insbesondere dann anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer auffällig häufig oder auffällig häufig nur für kurze Dauer arbeitsunfähig ist oder der Beginn der Arbeitsunfähigkeit häufig auf einen Arbeitstag am Beginn oder am Ende einer Woche fällt oder die Arbeitsunfähigkeit von einem Arzt festgestellt worden ist, der durch die Häufigkeit der von ihm ausgestellten Bescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit auffällig geworden ist. Wenn ein solcher Fall vorliegt, kann der Arbeitgeber grundsätzlich (ohne weitere Anforderung) von der Krankenkasse eine gutachterliche Stellungnahme des MDK zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit verlangen (§ 275 Abs. 1a S. 3 SGB V).

Hiervon kann die Krankenkasse nur dann absehen, wenn sich die medizinischen Voraussetzungen der Arbeitsunfähigkeit eindeutig aus denen der Krankenkasse vorliegenden ärztlichen Unterlagen ergeben, was jedoch nur in den seltensten Fällen der Fall sein dürfte.

Sofern der Arbeitgeber aus anderen Gründen an der Krankheit des Arbeitnehmers zweifelt und er diese Gründe der Krankenkasse gegenüber plausibel geltend macht, ist die Krankenkasse auch in diesen Fällen dazu verpflichtet, eine Stellungnahme des MDK einzuholen.

Eine Überprüfung durch den MDK wird regelmäßig so ablaufen, dass der Arbeitgeber von dem MDK aufgefordert wird, sich zu einer Untersuchung beim MDK einzufinden. Der MDK beschäftigt hierfür meist eigene Ärzte, die die Arbeitsunfähigkeit sodann überprüfen. Dies ist für den Arbeitnehmer zwar mit einem Aufwand verbunden, den dieser jedoch hinnehmen muss.

3.   Einschaltung eines Detektivbüros
Eine weitere Möglichkeit kann darin zu sehen sein, dass der Arbeitgeber ein Detektivbüro damit beauftragt, den Arbeitnehmer überwachen zu lassen, weil er den Verdacht hat, dass die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich nicht vorliegt. Ob der Arbeitgeber hiervon gebrauch machen sollte, ohne vorher die vorgenannten Maßnahmen zu ergreifen, ist einzelfallabhängig. Zu beachten ist jedoch stets der Kostenfaktor einer solchen Maßnahme, da hier schnell ein vierstelliger Betrag zu zahlen ist. Wenn sich der Verdacht nicht bestätigt, bleibt der Arbeitgerber regelmäßig auf solche Kosten sitzen. Sofern der Arbeitnehmer überführt werden kann, hat dass Bundesarbeitsgericht hierzu entschieden (Urteil vom 26.09.2013 – 8 AZR 1026/12, NZA 2014, 301), dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber, die durch das Tätigwerden eines Detektivs entstandenen notwendigen Kosten zu ersetzen hat, wenn der Arbeitgeber aufgrund eines konkreten Tatverdachts einen Detektiv mit der Überwachung des Arbeitnehmers beauftragt und der Detektiv den Arbeitnehmer wegen vorsätzlichen Vertragspflichtverletzungen überführt. Notwendig sind konkrete Verdachtsmomente, die den Arbeitgeber dazu veranlassen, drohende Nachteile abzuwenden. Bei vorliegen der Vorraussetzungen ergibt sich ein Schadensersatzanspruch wegen arbeitsvertraglicher Pflichtverletzung aus § 280 Abs. 1 BGB.

Zu beachten ist ferner § 254 BGB, der von dem Geschädigten (hier der Arbeitgeber) verlangt, auf die Interessen des Schädigers Rücksicht zu nehmen und somit den Schaden möglichst gering zu halten. Daraus folgt, dass der Arbeitgeber nur für solche Maßnahmen Schadensersatzansprüche hat, die ein vernünftiger, wirtschaftlich denkender Arbeitgeber nach den Umständen des Einzelfalles zur Beseitigung der Störung bzw. zur Schadensverhütung nicht nur als zweckmäßig, sondern auch als erforderlich ergriffen hat (BAG, a. a. O., Rn. 22 m. V. a. BAG, Urteil vom 28.05.2009 – 8 AZR 226/08).

Hier halte ich es für denkbar, dass ein Arbeitsgericht die Kosten für ein Detektivbüro nicht als erstattungsfähig ansieht, sofern der Arbeitnehmer nicht versucht, durch die oben dargestellten Maßnahmen (kostengünstig) zunächst die Arbeitsunfähigkeit durch den Arbeitnehmer von dritter Stelle feststellen zu lassen. Erst wenn dies keinen Erfolg bringt, sollten solche Kostenintensiven Maßnahmen, wie die Einschaltung eines Detektivbüros, veranlasst werden.

Wir hoffen, dass dieser Beitrag Ihnen geholfen hat. Sollten Sie noch Fragen hierzu haben oder weiterer Beratungsbedarf anstehen, würden wir uns freuen, Ihnen hierbei helfen zu können.

RA Manuel Große

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