nach BGH vom 27.10. 2009 – XI ZR 337/08
Leitsätze
1. Prognosen in einem Anlageprospekt müssen zur Zeit ihrer Erstellung vertretbaranhandvonTatsachen abgeleitet werden. Sie müssen aber nicht auf einer vorsichtigen, realistischen und unter Einfluss von kaufmännischer Erfahrung zugrunde liegenden Kalkulation gebildet werden.
2. Der Anleger hat einen Anspruch auf eine vollständige Angabe aller wesentlichen Prognosen, die für die voraussichtliche Entwicklung der Anlage entscheidend sind. Auf ihre spätere, richtige Tragfähigkeit besteht kein Anspruch. Der Anleger trägt damit das Risiko einer späteren, negativen Entwicklung für richtig geschlossene Prognosen.
3. Das Risiko, dass Prognosen eine negative Entwicklung nehmen können, gehört zum Allgemeinwissen, darüber muss nicht aufgeklärt werden.
Sachverhalt
Der Kläger erwarb nach vorangegangener Anlageberatung und Zusendung eines Anlageprospekts durch eine Bank eine Kommanditbeteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds. Dieser Fonds hatte die Errichtung und Vermietung von zwei Geschäftshäusern in Berlin zum Ziel, konnte diese Ziele aber aufgrund erheblicher Leerstände und damit ausfallenden Mieteinnahmen nicht realisieren. Der Kläger forderte Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung, insbesondere wegen fehlerhafter Prognoserechnung, gegenüber der Bank, die nach seiner Meinung nicht im ausreichenden Maß über die bestehenden Risiken der Anlage aufgeklärt hatte. Der Kläger hatte mit dieser Klage keinen Erfolg.
Entscheidung
Allgemein muss nach Ansicht des BGH bei der Anlageberatung auf die individuellen Bedürfnisse des Anlegers, seinen Wissensstand, das verfolgte Anlageziel und seine Risikobereitschaft, eingegangen werden. Eine allgemeine Beratung anhand von Faktoren der jeweiligen Kapitalanlage ist nicht ausreichend.
Ein ausgegebener Anlageprospekt ist von einem Anlageberater nicht auf seine letztendliche Tragfähigkeit hin zuprüfen, sondern lediglich dahingehend, ob gemachte Prognosen zur Zeit ihrer Erstellung (ex ante) vertretbar sind und ein zutreffendes Bild der Anlage vermitteln.
Prognosen zeigen die mögliche Entwicklung des Fonds auf, aufgrund der ein potentieller Anleger seine Anlageentscheidung trifft. Sie müssen daher mit einer besonderen Sorgfalt erstellt werden und im Einklang mit anderen Angaben und Daten aus dem Prospekt stehen.
Diese Sorgfalt soll durch den Umstand gewährleistet werden, dass sich Prognosen auf Tatsachen stützen müssen. Dabei müssen sich abzeichnenden Risiken berücksichtigt werden, die ebenso anzugeben sind. In diesem Zusammenhang muss eine Prognose, nach Ansicht des BGH, aber nicht auf einer vorsichtigen, realistischen und unter Einfluss von kaufmännischer Erfahrung zugrunde liegenden Kalkulation erstellt werden. Deshalb sind auch keine Risikoabschläge, auf eine vertretbare Prognose zu berechnen. Eine optimistische Entwicklung kann immer prognostiziert werden, solange aus damaliger Sicht vertretbare Tatsachen für eine solche Erwartung herangezogen wurden.
Das letztendliche Risiko, dass solche Prognosen sich später nicht verwirklichen, trägt der Anleger. Die prognostizierte Entwicklung im Prospekt muss nicht tatsächlich eintreten. Der Prospektherausgeber übernimmt diesbezüglich keine Gewähr für seine Angaben, er ist allerdings dazu verpflichtet, die wesentlichen Prognosen über die voraussichtliche Entwicklung des Anlageobjekts im Prospekt anzugeben.
Keiner Aufklärung durch die beratende Bank bedarf der Umstand, dass Prognosen stets von ihrer Vorhersage abweichen können und eine negative Entwicklung nehmen, dies gehört zum Allgemeinwissen.
Praxishinweis
Diese Entscheidung des BGH ist sehr nachteilig für die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen des Anlegers. Gerade durch wirtschaftlich gute Prognosen entscheidet sich ein potentieller Anleger in der Regel für eine Kapitaleinlage. Hier wäre eine strengere Regelung für Prognoseberechnungen wünschenswert gewesen, hängt von diesen doch das wirtschaftliche Bestehen einer Anlage ab.
Beachten Sie vor einer geschlossenen Kapitalanlageentscheidung, dass Sie eine Beteiligung über mehrere Jahre abschließen. Die gemachten Prognosen, die zur damaligen Zeit auf Tatsachen beruhen, können Schwankungen unterliegen.
Empfehlung
Möchten Sie prüfen lassen, ob Ihr Schadensersatzanspruch gegeben ist? Lassen Sie sich beraten und die Rechtslage prüfen. Eine unverbindliche Vorabprüfung der Rechtslage als Vorbereitung für das Beratungsgespräch ist für Sie mit keinen Kosten verbunden. Kontaktieren Sie uns bitte per E-Mail und schildern Sie uns Ihren Sachverhalt unter Beifügung der erforderlichen Unterlagen, wie z. B. Emissionsprospekt, Zeichnungsschein, Korrespondenz, im Anhang.
RA Mass, LL.M. und stud. iur. Specht