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Überblick über die Haftung bei fehlerhafter Anlageberatung

In den letzten Jahren ist in der Rechtsprechung ein signifikanter Anstieg von Schadensersatzklagen wegen fehlerhafter Anlageberatung des Anlageberaters zu bemerken. Auch in der Hoffnung einen (Total)Verlust ihrer Einlagen abzuwenden, beschreiten vermehrt private Anleger den Rechtsweg sogar bis zum Bundesgerichtshof.

Als Kanzlei mit einem Schwerpunkt im Bereich des Bank- und Kapitalmarktrechts möchten wir daher interessierten Lesern einen Einblick in die Haftung von Anlageberatern wegen fehlerhafter Anlageberatung geben.


I. Der Beratungsvertrag

Das Beratungsverhältnis zwischen einem Anlageberater und einem Kunden, aus dem sich bestimmte Haftungsrisiken und Aufklärungspflichten ergeben, wird nach dem Gesetz schon sehr frühzeitig konstituiert.

Begibt sich ein Anlageinteressent in eine Bank um eine Beratung über die Anlage eines Geldbetrags zu erhalten oder ein Anlageberater einer Bank tritt an einen potentiellen Kunden heran, um ein solche Beratung durchzuführen, so wird bereits mit der Aufnahme des Beratungsgesprächs stillschweigend das darin liegende Angebot zum Abschluss eines Beratungsvertrages angenommen.[1]

In solch einem Beratungsgespräch werden sowohl Anlageziel, als auch Investitionsvolumen und Risikobereitschaft vereinbart sowie verschiedene Anlagemöglichkeiten erörtert.

II. Abgrenzung von Anlageberatung und Anlagevermittlung

Laut Urteil des Bundesgerichtshofes vom 25.11.1981, Az.: IVa ZR 286/80,

..“ zielt der Vertrag, der zwischen dem Anlageinteressenten und einem Anlagevermittler zustande kommt, lediglich auf Auskunftserteilung ab. Er verpflichtet den Vermittler zu richtiger und vollständiger Information über diejenigen tatsächlichen Umstände, die für den Anlageentschluß des Interessenten von besonderer Bedeutung sind.“

„Der Anlagevermittler tritt dem Anlageinteressenten selbständig gegenüber. An ihn wendet er sich in der Regel in dem Bewußtsein, daß der werbende und anpreisende Charakter der Aussagen im Vordergrund steht.“

Das bedeutet, dass der Anleger zwar Informationen vom Vermittler einholt, das Produkt selbst dann aber eigenständig beurteilt.


Im Gegensatz dazu steht die Person des Anlageberaters. Dieser nimmt gegenüber dem Anleger eine fachmännische Bewertung vor, da der Kunde eben gerade keine ausreichenden wirtschaftlichen Kenntnisse hat, noch für die Kapitalanlage relevante Zusammenhänge kennt. Der Berater spricht dem Anleger also eine Anlageempfehlung aus.

Das Urteil des BGH vom 25.11.1981 beschreibt die Stellung des Anlageberaters wie folgt:

…“ hat er als individueller Berater, dem weitreichendes persönliches Vertrauen entgegengebracht wird, in größerem Rahmen für Vertrauensschutz zu sorgen.

Der Umstand, dass nur ein einziges Produkt zwischen Anlageberater und Anleger besprochen wurde, führt nicht dazu, dass keine Beratung vorliegt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass auch dieses Einzelprodukt anhand des Kundenwunsches bewertet werden kann.

III. Anleger- und objektgerechte Beratung

Im der so genannten „Bond“-Entscheidung“ vom 06.07.1993 (Az.: XI ZR 12/93) hat sich der BGH grundlegend zu den Anforderungen an eine Anlageberatung durch Banken und Anlageberater geäußert.

„ Die beratende Bank ist zu einer anleger- und objektgerechten Beratung verpflichtet (Senatsurteil vom 6. Juli 1993 – XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126, 128 f.). Inhalt und Umfang der Beratungspflichten hängen dabei von den Umständen des Einzelfalls ab. Maßgeblich sind einerseits der Wissensstand, die Risikobereitschaft und das Anlageziel des Kunden (anlegergerecht) und andererseits die allgemeinen Risiken, wie etwa die Konjunkturlage und die Entwicklung des Kapitalmarktes, sowie die speziellen Risiken, die sich aus den Besonderheiten des Anlageobjekts ergeben (objektgerecht).“

Der BGH hat in der Entscheidung festgestellt, dass ein Beratungsvertrag zwischen Bank und Kunde grundsätzlich stillschweigend zustande kommen kann. Für die Begründung eines Beratungsvertrages ist es daher nicht erforderlich, dass ein solcher Vertrag ausdrücklich oder gar schriftlich geschlossen wird. Vielmehr kann es ausreichend sein, dass ein Anlageinteressent an die Bank oder einen Berater herantritt und sein Beratungsbedürfnis zu erkennen gibt. Unschädlich ist es dabei, wenn die Initiative zunächst von der Bank selbst ausging, sie den Kunden etwa zu einem Beratungsgespräch gebeten hat.

Aus dem Beratungsvertrag ergeben sich für die beratende Bank oder auch für den Anlageberater spezifische vertragliche Verpflichtungen. Grundsätzlich besteht die Pflicht „anlegergerecht“ zu beraten. Dies beinhaltet u.a. die Verpflichtung, den Kunden nach seinem Anlageziel zu fragen und seinen einschlägigen Wissensstand zu Kapitalanlagen in Erfahrung zu bringen. Sofern die Bank eine diesbezügliche Kenntnis nicht aus der zwischen ihr und dem Kunden bestehenden Geschäftsbeziehung entnehmen kann, hat sie den Kunden entsprechend zu fragen.

Empfiehlt die Bank eine bestimmte Kapitalanlage, so muss die Empfehlung des konkreten Anlageobjektes den zuvor ermittelten Wünschen und Voraussetzungen des Bankkunden entsprechen (objektgerechte Beratung). Dabei trifft die Bank oder auch den Anlageberater die Pflicht, vollständig und richtig über alle wesentlichen Umstände aufzuklären, die mit der Anlageentscheidung im Zusammenhang stehen. Hierbei besteht insbesondere die Pflicht auf negative Entwicklungen hinzuweisen. Der Umfang dieser Aufklärung bemisst sich auch an dem Wissensstand des Bankkunden.

Der Name „Bond“ rührt daher, dass es sich bei dem Anlageobjekt in dem vom BGH entschiedenen Fall um eine DM-Anleihe der australischen Bond-Finance Ltd. aus dem Jahre 1988 handelte. Deren Anleihe war der Gegenstand des Verfahrens. Die Kläger hatten die Anleihe auf Empfehlung ihrer Bank gezeichnet. Vor dem Beratungsgespräch hatte eine Ratingagentur die Anleihe jedoch bereits mit „BB“, also als spekulativ mit unterdurchschnittlicher Deckung, und schließlich nur noch mit „CCC“ bewertet. Die Bewertung mit „CCC“ weist dabei auf die Gefahr hin, dass eine Insolvenz des Emittenten bevorsteht. Am Ende waren die Papiere praktisch wertlos. Die Bank hatte es unterlassen auf negative Presseberichte hinzuweisen. Im Verfahren berief sie sich darauf, dass für die Bond-Finance Ltd. eine Börsenzulassung vorgelegen habe und sie daher nicht verpflichtet gewesen wäre, weitere Prüfungen vorzunehmen. Dem ist der BGH nicht gefolgt und hat die Bank zum Schadenersatz verurteilt.

Die Entscheidung ist bis heute grundlegend für die Beurteilung von Beratungsleistungen im Bereich des Kapitalanlagerechts.

IV. Fehlerhafte Anlageberatung
Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Beratung fehlerhaft ist, ist zudem zu differenzieren: Zwar muss die Aufklärung über die anleger- und objektgerechten Umstände richtig und vollständig sein, aber die Bewertung und Empfehlung eines Anlageobjekts unter Berücksichtigung der genannten Gegebenheiten muss – so die höchstrichterliche Rechtsprechung (z.B. BGH, Urt. v. 21.03.2006 in WM 2006, 851 ff.) – ex ante (im Nachherein) betrachtet lediglich vertretbar sein. Das Risiko, dass eine durch eine Beratung getroffene Anlageentscheidung sich im Nachhinein als falsch erweist, trägt also der Anleger. So auch jüngst das OLG Köln entschieden (Urteil vom 09.01.2013, 13 U 27/12).

Für die Verletzung der der Bank obliegenden Beratungs-/ Aufklärungspflicht ist der Anleger darlegungs- und beweispflichtig. Nur wenn eine Aufklärungspflichtverletzung feststeht, greift eine Beweislastumkehr:

Es wird zugunsten des Anlegers vermutet, dass er die Anlage bei ordnungsgemäßer Beratung/Aufklärung nicht erworben hätte. Die Bank trägt also dann das Risiko der mangelnden Kausalität der unterlassenen Aufklärung für die Anlageentscheidung. Dabei kommt es bei Kapitalanlagefällen nicht darauf an, ob ein Kapitalanleger bei gehöriger Aufklärung vernünftigerweise nur eine Handlungsalternative gehabt hätte. Auch wenn er eine Vielzahl von Entscheidungsmöglichkeiten hatte, greift die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens zugunsten des Anlegers.

Der BGH hat damit in seiner Entscheidung vom 08.05.2012 – XI ZR 262/10 – seine bisherige Rechtsprechung, nämlich das Abstellen auf das Fehlen eines Entscheidungskonflikts im Zusammenhang mit der sogenannten Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens, bei den Kapitalanlagefällen aufgegeben.

Praxiserfahrung: In dieser Beweislast, die grundsätzlich beim Anleger liegt, ist gerade die Schwierigkeit einer erfolgreichen Klageschrift zu sehen. Vor Gericht versuchen sich angeklagte Berater häufig durch ihr „Nichtwissen“ beziehungsweise dem Hinweis „über alles aufgeklärt zu haben“ aus der (Haftungs)Schlinge zu ziehen. So hatte beispielsweise nicht mal eine langjährige und vertrauensvolle Beziehung zu einem Anlageberater einem unserer Mandanten geholfen.
Zudem sichern sich Berater mittlerweile immer weiter ab, indem ein Kunde nach Beendigung des Beratungsgesprächs unterzeichnen muss, über alle Risiken aufgeklärt worden zu sein.

Für geschädigte Anleger ist daher eine Berufung allein auf eine fehlerhafte Beratung nicht (häufig) nicht erfolgsträchtig. Für eine erfolgreiche Klage muss vielmehr jeder Einzelfall gesondert untersucht werden. Hierfür müssen z.B.

• falsche Informationen aus einem Prospekt
• heimlich geflossene Provisionszahlungen an Ihren Berater
• nicht durchgeführte Plausibilitätsprüfung über die in Aussicht gestellten Prognosen

aufgedeckt werden.

Sollten Sie für Ihre rechtliche Vertretung einen kompetenten Berater suchen, der Sie praxisorientiert und umfassend informiert, zögern Sie bitte nicht, mit uns Kontakt aufzunehmen. Gerne beraten wir Sie bei einem unverbindlichen Termin/Telefonat. Wir freuen uns Sie kennenzulernen.

RA Mass, LL.M. und stud. iur. Meinhardt


[1] Zoller, Michael, Die Haftung bei Kapitalanlagen, 2. Auflage, München 2014, S. 7 Rn. 40.

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